Die Anfänge Edens – Teil 2
Einige Männer der ersten Stunde berichteten in den 1930er Jahren in den alten Edener Mitteilungen von den schweren Anfängen in Eden.
August Hanker (1866 – 1949) war schon im Mai 1883 bei der ersten Begehung des zukünftigen Edener Grund und Bodens dabei. Ein Jahr später wurde er als Obergärtner angestellt und hat in Eden die ersten Bäume gepflanzt. Er ist bis zu seinem Lebensende in Eden geblieben.
Scheut euch nicht vor einem langen und alten Text, denn nur so erfahrt ihr, wie August Hanker damals nach Eden kam. Und der Originalton machts, finde ich.
Viel Freude beim Lesen und Erfahren wünscht euch Christiane
(Bitte beachtet, dass der folgende Text vor über 90 Jahren geschrieben wurde und auch die damalige Rechtschreibung eine andere als heute war.)
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Der älteste Edener Genosse August Hanker erzählt: Wie ich vor 40 Jahren nach Oranienburg kam
(Edener Mitteilungen Mai/Juni 1933 Festnummer 5/6, S. 136-137)
Als Leser der „Vegetarischen Warte“ seit 1891 fand ich 1893 darin einen Aufruf zur Inlands=Siedlung. Einige Monate später folgte ein Artikel mit der Überschrift „Motiv zur Tat“, unterzeichnet von Bruno Wilhelmi, dem Mitbegründer Edens. Eine vegetarische Siedlung „Heimgarten“ bei Bülach in der Schweiz sollte schon bestehen, hörte ich.
Den Distanzmarsch Berlin – Wien hatte damals der Kultur=Ingenieur und Vegetarier Arnold Elsässer (der später unser Land parzelliert hat) gewonnen. Diese Zähigkeit der „Vegetarianer“ machte großen Eindruck auf mich. Ich trat mit Herrn Wilhelmi in Briefwechsel, und Herr Wilhelmi lud mich zum ersten Pfingstfeiertag, 28. Mai 1893, zur Besichtigung des Geländes ein, das für Siedlungszwecke gekauft werden sollte.
Wohl an zwanzig Mann kamen wir nach Oranienburg. Herr Wilhelmi übernahm die Führung vom Bahnhof durch den Schloßgarten bis nach dem Gut Luisenhof (der jetzigen Lehranstalt). Dort wurden uns vom damaligen Inspektor Maier, der voriges Jahr, 1932, starb, Brunnenwasserproben gereicht. Dann gingen wir die Grenzen des uns angebotenen 175 Morgen großen Grundstückes (Inhaber Geschwister Drechsel, Berlin) ab. Das Grundstück bestand aus etwa einem Drittel Morgen Ackerland, an der Straße gelegen; das übrige Land war ungepflegte Wiese. Darauf standen ein kleiner Schuppen, seitwärts davon ein verfallender Holzbrunnen, ein wilder Sauerkirschbaum und längs des Grenzgrabens, am jetzigen Südweg, einige Weidenbüsche.
Auf der Rückfahrt nach Berlin gab ich mein negatives Gutachten ab. Dabei sagte uns Wilhelmi, er hätte drei Angebote; erstens Luisenhof, zweitens Lehnitz (Gebr. Grütter), drittens das Land, das wir besichtigt hatten, das aber am billigsten wäre. In Berlin trennten wir uns. Wilhelmi lud mich ein, an der Gründungs=Versammlung der „Vegetarischen Obstbaukolonie Eden“ im Speisehaus „Ceres“ in der Paulstraße 1 teilzunehmen.
Ich konnte aber nicht dabei sein; denn am anderen Morgen mußte ich wieder meine Stelle auf der Rittergutsgärtnerei Falkenberg bei Seehausen in der Altmark versehen. Bald danach bekam ich von Wilhelmi gute Nachricht. Ich kündigte meine 4½ jährige Stellung, die ich nur ungern wieder verließ wegen der herrlichen Camelien, Azaleen und Rhododendren. Ich hatte sicher etwas zu vertrauensselig und voreilig gehandelt; denn Wilhelmi schrieb mir bald darauf, daß das Land noch nicht fest gekauft wäre, aber ich könnte schon immerhin mit meiner Familie nach Oranienburg übersiedeln.
Die Sache erschien mir also verfänglich, so daß ich kurzerhand eine andere Stellung suchte, die ich glücklicherweise in Teutschental bei Halle an der Saale als Obergärtner im Feld= und Samengartenbau fand und am 1. September 1893 antrat. – Aber dem Schicksal konnte ich nicht entrinnen.
(Foto von August Hanker – EM Nr. 4-6 / April -Juni 1934)
Herr Wilhelmi schrieb mir wieder, hielt mich auf dem Laufenden, schickte Drucksachen über Hensels Mineraldünger und teilte mir mit, daß das Land zu 225 Mark für den Morgen gekauft wäre. Ich sagte zu, am zweiten Weihnachtsfeiertag zu kommen, und wir wiederholten dieselbe Sache, wie Pfingsten, nur mit dem Unterschied, daß einige neue Gesichter dabei waren. Es wurde über Einteilung des Geländes gesprochen und anderes mehr. Auf der Rückreise schlossen Wilhelmi und Aufsichtsrat Tamke mit mir den Vertrag als Obergärtner von Eden: Freie Wohnung, halbe Umzugskosten und monatlich 50 Mark. Mir stand die ganze Welt offen. Ich hing nicht so sehr am materiellen, sondern mir war es einzig und allein darum zu tun: mich mit anderen, ebenso Minderbemittelten wie ich es selbst war, zusammenzuschließen, um mit der Zeit frei zu werden.
Mit dem Vertrag in der Tasche reiste ich zurück und kündigte nun leichten Herzens meine Stellung; andererseits war es auch wiederum keine Kleinigkeit, eben warm geworden, nun wieder, und noch auf unbestimmte Möglichkeit hin, etwas ganz Neues anzufangen. – Am 1. März 1894 habe ich die Reise mit meiner Familie nach Oranienburg angetreten.
Vorher hatte Wilhelmi angefragt, was mit dem Wiesenboden zu tun wäre; denn der vorgesehene Teich an der Schlenke sei schon in Angriff genommen. Ich antwortete: „Wiese (jetziger Keil) umstürzen und im Frühjahr Hafer darauf drillen.“ Dann hatte Wilhelmi noch einen Wunsch: Ob ich nicht an einem Sonntag nach Breslau=Umgegend zu einem Landwirt Carl Scheffler (der spätere Geschäftsführer von Eden) fahren wollte zur Besichtigung des Baumbestandes, weil Scheffler später nach hier übersiedeln und uns die Bäume verkaufen wolle. Ich reiste aber nicht hin, weil die Vorbedingungen zum Bäumepflanzen noch nicht gegeben waren.
So war ich nach Eden gekommen, wo ich jetzt mehr als 39 Jahre lebe. So Gott will, werde ich in einem späteren Aufsatz schildern, wie ich mit meinen Mitgenossen gestrebt und gekämpft und gearbeitet habe, immer dem Lichte nach.
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Wer mehr über die Familie Hanker erfahren möchte, wird hier fündig:
Waltraud Eisenberger hat in den neuen „Edener Mitteilungen“ unter der Überschrift „Historisches Porträt“ über August Hanker und seine Familie berichtet:
EM Nr. 65, EM Nr. 67, EM Nr. 68, 2003 sowie EM Nr. 70, EM Nr. 72, 2004
Diese Hefte können im Büchertreff ausgeliehen werden.