Vorweihnachtliche Erinnerungen

Seine Erinnerungen an die Vorweihnachtszeit und den Nikolaus in Eden hat Eginhard Michael, Jahrgang 1924, in den 1990er Jahren aufgeschrieben. Diese wurden in den Edener Mitteilungen (Nr. 14, Nov./Dez. 1994, S. 30-31) veröffentlicht.

Es war schon eine andere Zeit damals. Doch es berührt noch heute, wenn wir erfahren, dass sich die Jungen die Nasen an der Schreibe des Edener Eisenladens plattdrückten, um mit sehnsüchtigen Blicken die Runden der kleinen elektrischen Eisenbahn immer und immer wieder zu verfolgen.

Dass der Nikolaus durch die Siedlung zog und die Kinder besuchte, war eine lange und schöne Tradition in Eden. Nur, dass manchem Nikolaus die Rute locker saß, passt nicht in das Bild, welches wir vor Augen haben und heute doch unvorstellbar ist. Hoffen wir, dass die Mehrzahl der Edener Kinder damals frohe Begegnungen mit dem Nikolaus hatten.

Jugenderinnerungen von Eginhard Michael

Es gibt ein geflügeltes Wort, nach dem wir uns immer häufiger an unsere Jugendzeit erinnern, je älter wir werden. Mir scheint dies im besonderen Maße der Fall zu sein, wenn die Weihnachtszeit näher rückt. Für mich sind das zwei Ereignisse in Eden, die zur Vorweihnachtszeit gehören, und an die ich mich oft erinnere. Das Weihnachtsfest wurde in Eden, so wie auch heute, zu Hause im Kreise der Familie gefeiert, doch nun zu meinen Erinnerungen.

Zunächst denke ich da an den alten Edener „Eisenladen“, so hieß er allgemein, in dem es alles gab, was das Siedlerherz begehrte, vom kleinsten bis zum größten Nagel, was naturgemäß auch auf die Schrauben zutraf. Sodann konnte man dort die notwendigen Gartengeräte kaufen. Heute befindet sich in diesem Laden das „Edener Schreib- und Spielwarengeschäft“ von Frau El Abbas. Rudolf Meier, der Betreiben des alten Ladens, baute in dem großen Schaufenster, das es heute nicht mehr gibt, immer zur Adventszeit eine elektrische Eisenbahnanlage auf. Alles war fest installiert, die Signale und Schranken hoben und senkten sich, so schien es uns, fast selbständig, und die Züge, ich glaube es waren zwei, fuhren beleuchtet ihren festgelegten Kurs, so wie es die Gleise vorschrieben. Die ganze Anlage war auf einer großen Platte befestigt und zeigte die Bahnhöfe sowie eine Landschaft mit Tunnels, Bergen, Wiesen und Wäldern. Die Züge fuhren auch noch, wenn der Laden geschlossen war, sicherlich waren Zeitrelais eingebaut. Stundenlang drückten wir unsere Nasen an der großen Schreibe platt und waren nicht von der Stelle zu bewegen, bis es dunkel wurde und wir nach Hause mussten. Eine solche Anlage war damals sehr selten und deshalb für uns Kinder eine kleine Sensation.

Die zweite, hier muss ich wohl sagen typische Edener Spezialität war das Auftreten der Nikoläuse. Alle Eltern, die den Besuch eines Nikolauses bei ihren Kindern im Hause wollten, mussten dies vorher in der Siedlungsverwaltung anmelden. Die Eltern konnten dort zusätzlich zu den Zuwendungen der Siedlung – Äpfel, Birnen, getrocknete Bananen, Feigen oder Rosinen, Nüsse oder selbstgebackene Plätzchen – ein beschriftetes Päckchen für ihre Kinder abgeben, das dann den Kleinen überreicht wurde, nachdem sie zuvor ein Gedicht aufgesagt oder ein Liedchen gesungen hatten. Allerdings kam der Nikolaus nur zu den kleinen Kindern, ich weiß nicht mehr genau, bis zu welchem Alter.

Als ich noch zu diesen Kleinen gehörte, erinnere ich mich eines Ereignisses, das ich selbst ausgelöst hatte. Mein Bruder hatte schon brav sein Gedicht aufgesagt, nur ich weigerte mich, dies zu tun, weil ich in der Stimme des Nikolauses den jungen Mann wiedererkannt hatte, der uns Jungen sofort über das Knie legte, selbst bei den geringsten Vergehen, denn Sachschäden und mutwillige Zerstörung, wie sie heute an der Tagesordnung sind, waren uns völlig fremd. Wir spielten beispielsweise im Kistenschuppen des Edener Betriebes. Dieser war sogar zur Straße hin offen, jedoch die Kisten, in denen wir gerne spielten, sollten für uns tabu sein, und doch entsinne ich mich, bei einer solchen Gelegenheit hatte mich besagter junger Mann erwischt und … na ja, alles weitere siehe oben. Kurz gesagt – kein noch so gutes Zureden und auch keine Strafandrohung half – ich blieb stumm, so dass der Nikolaus zur Rute gegriffen hätte, wenn meine Eltern nicht zugegen gewesen wären. Meinen Anteil bekam ich aber etwas später doch noch, denn er wurde bei meinen Eltern abgegeben.

Leider gingen die etwas älteren Kinder in Eden leer aus und das gefiel uns gar nicht. Wir versuchten deshalb in Gruppen den Nikolaus zu umschwärmen, hatten sogar vor, uns vorsichtig heranzuschleichen, und wollten den Sack des Nikolaus aufschneiden, um so auch etwas ergattern zu können. Selbstverständlich war das nicht ohne weiteres möglich, denn die Nikoläuse waren ja mit einer Rute bewaffnet, und ich kann mich auch nicht erinnern, dass es jemals einem Jungen gelungen war, einen Nikolaussack zu erobern. Allerdings Rutenstreiche so um die Beine sollen vorgekommen sein. Trotz allem war es doch eine sehr schöne Zeit und ich habe es noch heute vor meinem geistigen Auge, wie der Nikolaus mit einem Glöckchen und dem warmen Schein einer Stalllaterne durch die Wege Alt-Edens wanderte.

Auch nach dem 2. Weltkrieg wurde der schöne Brauch der Nikoläuse wieder aufgenommen, um den kleinen Kindern eine Freude zu bereiten. Die älteren Kinder begleiteten ihn wie zu meiner Zeit von Haus zu Haus und bekamen auch mal einen Hieb mit der Rute ab, wenn sie zu nahe an ihn herankamen. Leider wurde der Nikolaus im Beisein der Kinder von übereifrigen Parteifunktionären verspottet, was er sich natürlich nicht gefallen ließ, und so hat er seit Mitte der 50er Jahre unsere Siedlung nicht mehr besucht.

Weitere Erinnerungen von E. Michael findet ihr in den Edener Mitteilungen, die ihr im Büchertreff ausleihen könnt: Jugenderinnerungen EM Nr. 8, 1993;  Erinnerungen an die Edener Wetterstation EM Nr. 26, 1996